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Verwesliches oder Tabu Tod
Hamlet, Shakespeares Erfindung, sprach mit dem durch Verwesung
gereinigten
Kopf des ehemals lustigen Mannes, den er in ihrer
gemeinsamen Lebenszeit geliebt
hatte.
Er sprach mit einem Schädel in gutem Zustand, da gab es keine
fleischlichen
Reste, keine Spuren der ehemaligen Gestalt. Hamlet
hatte keine Scheu, er spürte
eine Leibhaftigkeit vor sich, die real
nicht existierte. Das aber ist für einen
Mann wie Hamlet nichts
Besonderes. Rasch, zu rasch fast stellte er sich immer
wieder
auf Neues ein, ohne zugleich das Alte ins Jenseits zu verschieben.
Hamlet
hatte Glück: Verwesung dauert bei günstigen Bedingungen
acht Jahre, schon nach
fast halber Zeit kann alles Fleisch vergangen
sein.
Hamlet hatte Glück: er hätte auch durch den Totengräber, der ein
neues
Grab vorbereitete, einen Wachskopf in Händen halten können.
Hätte er ...?
Nein, er hätte, halb erstarrt, diesen Scheintoten mit den
toten Augen von sich
gewiesen, kein Dialog wäre entstanden, nicht
einmal ein Shakespeare hätte
dafür die erforderlichen Worte gefunden.
Glücklicher, armer Hamlet, einen
sauberen Schädel in Händen zu halten.
Keine Stickstoffbelastung des Bodens als
Todesfolge des väterlichen
Freundes. Doch der eigene Vater durch Mörderhand
mit giftigen
Tropfen in den Gehörgang hingerafft.
Leiche auf Leiche gibt es nicht nur in Shakespeares "Hamlet". Die
Königsdramen quellen geradezu über von Verwesungsproblemen. In
lehmig dichtem
Boden geschieht nichts, keine Verdauung der Leichen
in und durch sich, durch die
eigenen Gase aus hausgemachten
Körperdarmlinien. Ja, es ist ein Jammer mit den
Toten, die den Boden
belasten.
Lassen wir den Königssohn mit seinem Unglück nicht allein, wir sollten
ihn
trösten. Beinahe wäre er den geliebten Lippen näher gewesen, doch
die
Verwesung klappte vorzüglich, Nichts da von den vielen heutzutage
auftauchenden
Wachsleichen.
Kein Gewässerschutz ist erforderlich, wenn der Bodenschutz gegeben ist.
Doch
die Nähe zu Friedhöfen birgt Gefahren. Man kannte sie nicht. Man
verschließe
vorsichtshalber des eigenen Friedens wegen die Augen. Nur
träumen darf niemand
nach dem Augenschluß.
Rascher Tod ist guter Tod. Schnelle Verwesung war für den Dänenprinzen
die
Voraussetzung. Ohne den notwendigen Sauerstoff, die Wasserableitung,
den Luft-
und Lustaustausch, Schwefelwasserstoff, Streptokokken,
Clostridien, coliforme
Bakterien, Salmonellen hätte Hamlet den sauberen
Schädel kaum länger
überlebt als durch den feindlich gesonnenen Degen, der
ihn in die gleiche
Situation brachte.
Wie verwese ich rasch, sauber und unschädlich? Ein Thema, das auf uns als
böses Erbe, von moderner Wissenschaft ausgegraben, zukommt.
Frank Arlig
Letzte Aktualisierung dieser Seite 04.12.02 (Die Inhalte können natürlich neuer sein)